Ramadan: Selbstreflexion und achtsame Beziehung zum Weltlichen
31.03.2022

In diesem Jahr beginnt der Ramadan – der muslimische Fastenmonat – am 2. April. Für Muslim:innen bedeutet diese Zeit eine immer wiederkehrende Gelegenheit, an sich zu arbeiten, um ein noch besserer Mensch zu werden. Gute Eigenschaften sollen gestärkt und schlechte Gewohnheiten vermieden werden. Gleichzeitig versuchen die Gläubigen, Gott näherzukommen. So ist der Alltag im Ramadan geprägt von einer reflektierten Beziehung zum Weltlichen.
Zeitraum und Zeitrechnung des Ramadans
Das Fasten im jährlichen Ramadan-Monat ist neben dem Glaubensbekenntnis, dem rituellen Gebet, der jährlichen Almosenabgabe und der mindestens einmal im Leben stattfindenden Pilgerfahrt eine der fünf Säulen des Islams. Während dieses Monats verzichten Muslim:innen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Das Fasten wird im Arabischen Saum genannt. Das bedeutet: Enthaltsamkeit. Diese Enthaltsamkeit soll die Menschen aufmerksam, achtsam und dankbar machen für das Geschenk des Lebens. Kinder, Kranke, Reisende, Senior:innenn, schwer arbeitende Menschen, Frauen* während ihrer Periode, Schwangere und stillende Menschen sind von dem strengen Fastengebot befreit. Schließlich soll niemand krank werden oder vor Erschöpfung umfallen. Der Ramadan findet in der Jahreszeit statt, in der dem Propheten Mohammed zum ersten Mal die Lehre des Islam offenbart wurde. Darum soll dieser Monat ein Monat der Besinnung, des Gebets und der Versöhnung sein.
Der Islam hat seine eigene Zeitrechnung und auch seinen eigenen Kalender. Die Zeitrechnung der modernen westlichen Welt beginnt mit der Geburt von Jesus von Nazareth. Die Zeitrechnung des Islams beginnt auch mit einem bedeutenden Ereignis: Der Prophet Mohammed wanderte im Jahr 622 mit der noch jungen muslimischen Gemeinde von Mekka nach Medina aus. Der Islam hat außerdem einen eigenen Mondkalender. Das heißt, dass die Monate von einem Neumond zum nächsten gerechnet werden. Diese zwölf Monate haben nur 29 oder 30 Tage. Dadurch ist das muslimische Jahr in der Regel elf Tag kürzer als die westliche Zeitrechnung und der Ramadan fällt jedes Jahr auf einen anderen Zeitraum.
Klug essen im Ramadan
Das Frühstück im Ramadan – das Suhur – wird vor Sonnenaufgang verzehrt. Dabei werden Datteln gegessen, aber auch deftige Gerichte. Je nach Jahreszeit kann dies auch mitten in der Nacht sein. Wichtig ist, dass das Fasten vor dem Fajir-Gebet begonnen wird, welches um fünf Uhr beginnt. Das Abendessen heißt Iftar und wird nach Sonnenuntergang im Kreis der Familie oder mit Freunden zu sich genommen. Dabei wird traditionellerweise eine Dattel gegessen, wie es der Überlieferung nach bereits der Prophet Mohammed tat. Nach dem langen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit ist es wichtig, den Magen schonend auf das anstehende Festmahl vorzubereiten. Aus wissenschaftlicher Sicht eignen sich Datteln dazu besonders gut. Die hohe Nährstoffdichte, Spurenelemente und wichtige Vitamine machen die Dattel zur perfekten Powerfrucht. Auch gut zu wissen: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Fasten einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat. Nicht umsonst ist es gerade Trend, intervallmäßig zu Fasten.
Die Vorteile des Fastens
Fasten hat unter religiösen, sozialen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und spirituellen Aspekten viele Vorteile. Im Ruhezustand – also während des Fastens – kann der Körper sein Gleichgewicht wiedergewinnen und sich regenerieren. Wird mehrere Tage gefastet, profitieren das Verdauungs-, Kreislauf- und Nervensystem (Castello et al. 2010, Wan et al.,2003; Klempelet. Al 2013, Varady et al, 2009). Das Fasten gibt den Menschen zudem die Möglichkeit, über Bedürftige und arme Mitmenschen nachzudenken.
Besondere Unterstützung finden die Fastenden durch die Gemeinschaft: Am Abend der langen Fastentage kommen Freunde, Nachbarn und Familien zusammen, um zu essen. In den Moscheen wird traditionell im Ramadan täglich nach Sonnenuntergang Essen für alle Menschen – Fastende, Nichtfastende, Nachbarn, Bedürftige, Hungrige, Gemeindemitglieder und Gäste – angeboten. Gute Taten gehören im Ramadan dazu, denn im Fastenmonat sollen Muslim:innen sich allem Bösen und Schlechten entziehen und die Gemeinschaft feiern. Dazu gehört es auch, unter den Bedürftigen Essen zu verteilen. „Wer immer einem Fastenden etwas gibt, mit dem er sein Fasten brechen kann, erhält die gleiche Belohnung, ohne dass dies die Belohnung des Fastenden in irgendeiner Weise verringern würde“, ist von Prophet Mohammed überliefert. In islamisch geprägten Staaten wie zum Beispiel der Türkei, Saudi-Arabien oder Pakistan veranstalten Muslim:innen Festessen für die Armen und Bedürftigen ihrer Stadt. Dadurch werden die Gemeinschaft und der Zusammenhalt in der Gesellschaft gestärkt.
Zuckerfest zum Abschluss der Fastenzeit
Wie der Name schon verrät, wird es zum Ende der großen Fastenzeit gefeiert. Dieses Fest beginnt am Morgen bzw. am ersten Tag nach dem Ablaufen des Ramadan-Monats und dauert ungefähr drei Tage. Dafür ziehen alle ihre besten Kleidungsstücke an und es wird ein besonders Festmahl zubereitet. Vor allem Kinder bekommen viele Süßigkeiten geschenkt. Darum wird das Fest im Volksmund auch Zuckerfest genannt. Auch an diesen Tagen ist Gemeinschaft besonders wichtig: Die Menschen besuchen einander, schicken sich Grußkarten und beschenken sich. Auch bedürftige Menschen bekommen in diesen Tagen Geschenke und Spenden. Oft wird die jährliche Almosenabgabe zeitnah zum Ende des Ramadan-Monats vollzogen. Ganz wichtig während dieser Zeit ist der Gedanke der Versöhnung. Wer auch nach der großen Fastenzeit noch mit jemandem zerstritten ist, soll sich spätestens am Fest des Fastenbrechens wieder vertragen.
Das Fasten in anderen Religionen
Der Brauch des Fastens ist Jahrtausende alt und nicht nur im Islam, sondern auch in anderen Religionen fest verwurzelt. Christ:innen begehen das Fasten als Vorbereitung auf Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu. Die christliche Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis Ostern und ist ein Zeichen der Buße, Trauer und inneren Reinigung. Jüdinnen und Juden haben mehrere Fastentage. Der strengste Fastentag ist der Versöhnungstag Jom Kippur. Hier dürfen die Gläubigen eine ganze Nacht und den darauffolgenden Tag weder essen noch trinken. Aber auch auf materielle Dinge wird verzichtet. Dagegen kennen Buddhismus und Hinduismus keine festgelegte Fastenzeit. Dennoch spielt der Verzicht auch hier eine große Rolle. Er dient vor allem zur inneren Einkehr. Manche Hindus fasten zum Ehrentag Shivas, andere zu Krishnas Geburtstag. Wieder andere folgen mit ihrem Verzicht auf Nahrung dem Beispiel Mahatma Gandhis.
Tipps für Nichtfastende mit Muslim:innen im Freundes- und Bekanntenkreis
Erkundigt euch, wann Muslim:innen das nächste Mal das Fastenbrechen feiern. Überlegt euch, wem ihr zu diesem bedeutsamen Fest eine Karte schicken könntet – zum Beispiel muslimischen Mitschüler:innen oder deren Familien. Was tun, wenn im Ramadan schon Kinder fasten, Leistungsabfall zu befürchten ist oder Druck auf Nichtfastende ausgeübt wird? Führt keine Kulturkämpfe! Sucht stattdessen lieber nach diplomatischen Gesprächen zu entstehenden Problematiken. Ihr könntet vor dem nächsten Ramadan das Gespräch mit Eltern, der Schulverwaltung und gegebenfalls einer Moschee in eurer Region suchen, die Probleme schildern und versuchen, gemeinsam zu dauerhaften Regelungen zu kommen. Für Schulen gilt: Es lohnt sich, das Gespräch mit muslimischen und nichtmuslimischen Jugendlichen zum Wert des Fastens und zu unterschiedlichen Praxen zu suchen. Sollte es zu Druckausübung kommen, sollte nicht das Fasten im Ramadan problematisiert werden, sondern dass Personen unter Druck gesetzt werden.
Aysenur Tugba Aydin, Fachstelle PREvent!on zur Prävention von religiös begründetem Extremismus