REICH & RUNE: Ingo K. & die germanische Mythologie

Von Timo Büchner – Teil 2

Der Vorsitzende Richter fragte den Angeklagten am 2. Prozesstag, ob er ein Hobby habe. Ingo K. antwortete abrupt, er habe neben seiner 60-Stunden-Arbeitswoche keine Zeit für Hobbys gehabt. Wenige Tage später, am 3. Prozesstag, machte K. eine Kehrtwende: „Natürlich“ habe er auch Hobbys gehabt. Er nannte Schach, Physik – und „alte Schriften“. Insbesondere: die germanische „Runenschrift“. Das wirft die Frage auf: Welche Rolle spielt die germanische Mythologie im Weltbild von Ingo K.?

Einzelne Zeug*innen berichteten über die Rolle der germanischen Mythologie. Am 5. Prozesstag sagte sein Bekannter Torsten H. aus, in den Gesprächen mit Ingo K. sei deutlich geworden, dass er „ein bisschen Wikinger-Gedankengut“ hat. Er habe gefordert, Entscheidungen sollten im „Thing“ gefällt werden. Der „Thing“ ist eine Versammlung nach germanischem Recht. Beeindruckt habe er über germanische „Berserker“ mit „übermenschlichen“ Kräften erzählt. Die „Berserker“ seien „unbesiegbar“ gewesen.

Der Staatsschutzsenat zeigte am 6. Prozesstag einige Fotos. Die Fotos, die nach der Festnahme gemacht wurden, zeigten die Tätowierungen des Angeklagten. Ein Kriminalbeamter des LKA Baden-Württemberg erläuterte, Ingo K. trage zahlreiche Runen („älteres Futhark“). Auf seinem Bauch seien vier Runen, die das Wort „Odin“ ergeben, zu lesen. Odin ist der Göttervater in der germanisch-nordischen Mythologie. Auf der rechten Hand steht „Odins Waffe“, auf der linken „Justitia“. Jeweils in Runen. Auf der Brust sind die Gesichter nordischer Gottheiten abgebildet. Am Hals trägt er eine „Berserk“-Rune. Die Rune symbolisiert einen germanisch-nordischen Krieger. Nicht nur Ingo K., auch Max A., der Sohn des Vermieters Heiko A., trägt eine „Berserk“-Rune am Hals. Im Prozess wurde deutlich: Ingo K. und Max A. verbindet eine enge Freundschaft.

Die germanische Runenschrift war im Alltag des Angeklagten präsent. Zwei Beispiele: Am 6. Prozesstag wurde bekannt, dass Ingo K., der Kampfsportler, den Namen „Tyrsringer“ in den Sozialen Netzwerken nutzte. Die Tyr-Rune symbolisiert Kampf, Krieg. Die ehemalige Nachbarin Claudia S. nannte am 9. Prozesstag den Namen seiner Hündin: „Runa“. Die germanische Mythologie scheint Ingo K. und Heiko A. verbunden zu haben. A. brachte große, rote Runen an zwei seiner drei Gebäude an. Die eine ist eine Tyr-Rune, die andere eine Binderune. Sprich: eine Kombination zweier Runen. Es hieß im „Kriminaltechnischen Bericht“ vom 4. Prozesstag: „An der Giebelseite nach Süden sind beleuchtbare Zeichen, mutmaßlich Runen, deutlich sichtbar angebracht.“ In seiner Erklärung vom 20. Prozesstag sagte Ingo K., er sei „nicht in der Lage“ gewesen, die Einstellung von Heiko A. zu erfassen. Ein Beispiel: die Runen an der Fassade.

Heiko A. brachte große, rote Runen an zwei seiner drei Gebäude an.
Foto: Nicholas Potter

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