REICH & RUNE: Ingo K. & die „Reichsbürger“-Ideologie

Von Timo Büchner – Teil 1

Die Anklage der Bundesanwaltschaft: versuchter Mord in 14 Fällen. Das Mordmerkmal: „niedrige Beweggründe“. Es hieß zur Begründung, Ingo K. habe in den SEK-Beamt*innen lediglich Repräsentant*innen der Bundesrepublik Deutschland gesehen. Eines Staates, der kein legitimer Staat sei. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt: Der Angeklagte ist ein „Reichsbürger“. Ingo K. hingegen bestreitet vehement, ein „Reichsbürger“ zu sein. Die Frage lautet: Ist K. ein „Reichsbürger“?

Ingo K. verschickte zahlreiche Behördenschreiben mit einschlägigem „Reichsbürger“-Vokabular. Am 2. Prozesstag wurde er mit den Schreiben konfrontiert: Ein Schreiben vom Dezember 2021 richtete er an die Bußgeldstelle in Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis). Im Schreiben ist die Rede von der „Firma Bundesrepublik Deutschland“ und vom „besetzten Gebiet“. In Schreiben vom Mai 2017, Dezember 2021 und Januar 2022 steht „Ingo (K.), Mensch, Deutscher durch Geburt und Ahnennachweis“ in der Kopfzeile. Es ist vom „Oberkommando der Alliierten“ und vom „SHAEF-Mandat“ die Rede. Die „Firma Bundesrepublik Deutschland“ sei in Delaware, einem Bundesstaat an der US-amerikanischen Ostküste, registriert. Die Schreiben aus 2021 und 2022 enden mit der Unterschrift „Ingo aus dem Hause K.“. All das sind beliebte Formulierungen aus dem „Reichsbürger“-Milieu.

Ingo K. besaß einen Ausweis der „Reichsdruckerei“. Am 2. Prozesstag wurde er mit dem Schreiben, das 2016 mit dem Ausweis verschickt wurde, konfrontiert. Das Schreiben nimmt Bezug zum „Volks- und Heimatstaat Deutschland“. 2018 soll K. seinen Ausweis dem Vorsitzenden eines Schützenvereins gezeigt haben. Joachim K., der Vorsitzende, berichtete am 18. Prozesstag, es sei ein Ausweis gewesen, „den ich so noch nicht gesehen habe“. Laut Zeuge wurde Ingo K. aus dem Schützenverein ausgeschlossen.

Ingo K. fiel durch „Reichsbürger“-Thesen auf. Das berichteten mehrere Zeug*innen. Sein Bekannter Torsten H. sagte am 5. Prozesstag aus, er habe behauptet, die „BRD“ sei eine „GmbH“. Am 11. Prozesstag erzählte sein ehemaliger Arbeitgeber Danijel P., er habe gesagt, Deutschland sei ein „besetztes Land“ und eine „GmbH“. Ein Beamter des Hauptzollamtes Heilbronn (Baden-Württemberg) schilderte am 11. Prozesstag, er habe behauptet, das „Beamtentum“ und die „Regierungseinrichtungen“ besäßen „keine Gültigkeit“. Baden-Württemberg sei kein Bundesland, in Berlin sei die Mafia an der Macht. Am 14. Prozesstag sagte sein ehemaliger Vermieter Heiko A. aus, sie hätten Behörden angeschrieben, um sie zu informieren und anzuleiten, selbst zu recherchieren. Die Behörden würden „bewusst in Unwissenheit gehalten“. Auf die Frage, ob Ingo K. seine Ansichten geteilt habe, äußerte er: „ein Stück weit schon“.

Der Staatsschutzsenat zeigte am 16. Prozesstag das Video der Erstvernehmung des Angeklagten. Die Vernehmung fand wenige Stunden nach der Festnahme statt. Ingo K. erklärte, er sei kein „Reichsbürger“. In einer Erklärung vom 20. Prozesstag behauptete er, es sei Heiko A.s Idee gewesen, die Behördenschreiben zu verschicken. Er sei „im Ergebnis“ mit den Schreiben „einverstanden“ gewesen. Aber: Die Haltung, die zum Ausdruck kam, sei „nicht meine Gesinnung“. Er habe bloß eine „Neigung zum Provozieren“.

Der Angeklagte Ingo K. besaß einen Ausweis der „Reichsdruckerei“ und verschickte Behördenschreiben mit „Reichsbürger“-Vokabular.
Foto: Jens Volle

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