REICH & RUNE: Ingo K. & die extreme Rechte

Timo Büchner – Teil 3

In der Statistik der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) ist die Tat vom 20. April 2022 mit der Bezeichnung „nicht zuzuordnen“ vermerkt. Das bedeutet: Ob eine rechtsextreme Motivation vorliegt, ist aus der Sicht des Bundesinnenministeriums unklar. Möglicherweise wird eine rechtsextreme Motivation sogar ausgeschlossen. Nun ist die Frage: Was wurde im Prozess über rechtsextreme Ideologien und Verbindungen des Angeklagten bekannt? Anders gefragt: Ist Ingo K. ein Rechtsextremer?

Viele Zeug*innen aus seinem Umfeld berichteten, er sei „ausgeschlossen“, „freundlich“, „hilfsbereit“, „verlässlich“ gewesen. Es seien Herbert W., ein ehemaliger Vermieter, und Markus S., ein ehemaliger Arbeitgeber, genannt. Gleichzeitig berichteten die Zeug*innen, er habe antisemitische und rassistische Verschwörungserzählungen verbreitet. Am 5. Prozesstag erzählte sein Bekannter Torsten H., die Bundesregierung habe, so Ingo K., „Millionen arabischer Flüchtlinge“ in Bunkern versteckt, um sie „auf einen Schlag“ auf die Deutschen „loszulassen“.

Ingo K. war über Jahre hinweg in der extremen Rechten aktiv. In seiner polizeilichen Vernehmung sagte Matthias S., ein ehemaliger Nachbar, er sei einmal mit einer schwarz-weiß-roten Fahne von einer Demonstration nach Hause gekommen. In der Tat nahm der Angeklagte an zahlreichen Protesten teil. Er besuchte 2018 die rechtsextremen Demonstrationen in Kandel (Rheinland-Pfalz). 2020 folgte eine rechtsextreme Demonstration in Öhringen (Hohenlohekreis). In beiden Fällen protestierten die Menschen gegen Asyl und Migration.

Der Staatsschutzsenat verlas am 2. Prozesstag den Zentralregisterauszug des Angeklagten: Er wurde am 11. Juni 2018 vom Amtsgericht Kandel verurteilt. An einer Demonstration vom März 2018 hatte er sein Gesicht vermummt und Handschuhe mit Schutzprotektoren getragen. Derartige Handschuhe haben im Rahmen einer Demonstration den Charakter einer Waffe, weshalb die Handschuhe eingezogen wurden. Am Ende erhielt er eine Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro.

Während der Corona-Pandemie nahm Ingo K. an Protesten des „Querdenken“-Milieus teil. So besuchte er die Demonstrationen in Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis). In seiner Erklärung vom 20. Prozesstag stellte Ingo K. fest, im Zuge der Pandemie habe seine „Nachdenklichkeit“ gegenüber der Bundesrepublik eingesetzt. Aber seine Teilnahme an den Protesten gegen die Corona- und Migrationspolitik habe nichts mit einer „Fundamentalablehnung“ des Staates zu tun. Er wolle bloß seine Heimat, „wie ich sie nach der DDR kennengelernt habe“, erhalten.

Robert Vogelmann – ein Rechtsextremer aus Schwäbisch Hall, der seit Jahren mit einem rassistischen „Mahnmal gegen das Vergessen“ die Öffentlichkeit sucht – erklärte am 17. Prozesstag, er kenne Ingo K. seit rund 30 Jahren. Man sei Motorrad gefahren, habe im Fitnessstudio trainiert. Er habe ihn „nach längerer Zeit“, in der die beiden keinen Kontakt hatten, auf einer Demonstration getroffen. Vogelmann sagte, er habe ihn „immer wieder mal“ im Rahmen von Demonstrationen gesehen.

Am 6. Prozesstag wurde bekannt, dass der Angeklagte am frühen Morgen der Tat mit Vogelmann per Chat und Telefon in Kontakt getreten war. Er hat ihn gebeten, sofort nach Bobstadt zu fahren und das Geschehen zu dokumentieren. Vogelmann sagte am 17. Prozesstag, er habe nicht gewusst, was er machen solle. Zunächst habe er einen Bekannten informiert, dann sei er nach Bobstadt gefahren. Auf dem Weg habe er einen weiteren Bekannten informiert. Die Bekannten sind – ebenso seit Jahren – in der extremen Rechten aktiv.

Der Angeklagte Ingo K. nahm mit einer Trommel an rechtsextremen Demonstrationen in Kandel (Rheinland-Pfalz) teil.
Foto: Alex Wißmann

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